Studie: Potenziale ausschöpfen – die ostdeutsche Automobilindustrie auf dem Weg in die Zukunft

Die Automobilindustrie ist ein zentraler Pfeiler der ostdeutschen Wirtschaft. Mit ihrer starken Produktions- und Zulieferbasis sowie den Kompetenzen in angrenzenden Industrien bietet die Region passende Voraussetzungen, um die Transformation der Branche mitzugestalten. Allerdings lauern auch Risiken wie die Anpassungsgeschwindigkeit und eine häufig fehlende Vernetzung von Forschung und Industrie. Eine aktuelle Studie beleuchtet die Potenziale und Hürden dieses Wandels.

Jeder vierte Industriearbeitsplatz in der Region hängt direkt oder indirekt von der Branche ab. Dadurch spielt Ostdeutschland eine entscheidende Rolle im Transformationsprozess der Automobilindustrie, was zugleich mit Risiken und Chancen verbunden ist. Vor diesem Hintergrund liefert die Studie „Die Automotive Industrie in Ostdeutschland – Struktur, Verflechtungen, Potenziale“ wertvolle Einblicke in die Branche. Durchgeführt von Sustain Consult im Auftrag der IG-Metall-Gewerkschaftsteams in den Netzwerken ReTraNetz-Berlin-Brandenburg und MoLeWa Leipzig, analysiert sie die strukturellen Gegebenheiten sowie die Chancen und Schwierigkeiten der ostdeutschen Fahrzeugindustrie.

Die ostdeutsche Autoindustrie bietet 250.000 Menschen einen Arbeitsplatz

Ostdeutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem bedeutenden Standort der Automobilproduktion entwickelt. Besonders Südwestsachsen gilt als Wiege des deutschen Automobilbaus mit Traditionsmarken wie Horch und Auto Union. Heute prägen hochmoderne Produktionsstätten das industrielle Bild. Große Hersteller wie Volkswagen, BMW, Porsche, Mercedes Benz, Opel und seit Kurzem auch Tesla haben in Ostdeutschland ihre Werke errichtet, die insgesamt etwa 51.000 Menschen beschäftigen. Mehr als 1.300 Zulieferer und Dienstleister bieten weitere rund 200.000 Arbeitsplätze, davon 42,5 Prozent in Sachsen.

Aufgrund dieser starken Präsenz prägt die ostdeutsche Autoindustrie die Transformation der Branche. In den letzten Jahren haben sich hier bereits entscheidende Entwicklungen vollzogen: Etwa die Halbleiterindustrie und Batterietechnologie gewinnen zunehmend an Bedeutung. Der Wandel ist aber komplex, in der Branche nicht unumstritten und längst noch nicht abgeschlossen.

Produzenten beziehen immer mehr Zulieferteile aus dem Ausland

Laut Studie müssen 95 Prozent der Betriebe in den kommenden Jahren ihre Produktionsprozesse überarbeiten, um den Wandel mitgehen zu können. Rund die Hälfte der Zulieferprodukte fallen komplett weg oder müssen ersetzt werden. Gleichzeitig nimmt der Wettbewerbsdruck stetig zu: Immer weniger Autowerke beziehen Komponenten aus Deutschland. Hinzu kommt der Handlungsdruck auf Zulieferbetriebe durch veränderte Technik oder Marktverschiebungen. Nur wenige Unternehmen sind zudem auf Zukunftsfelder wie Fahrassistenzsysteme, autonomes Fahren und Elektronik spezialisiert.

Innovationspotenzial vor Ort

Eine erfolgreiche regionale Entwicklung in Richtung Elektronik, Konnektivität und Digitalisierung erfordert enge Kooperationen zwischen Forschung, Entwicklung und der Industrie. Doch genau hier liegt eine der größten Hürden Ostdeutschlands. Obwohl ostdeutsche Hochschulen eine hohe Innovationskraft aufweisen, kommt dieses Potenzial unzureichend in der heimischen Industrie an. In der Region wird zwar intensiv geforscht, die industrielle Umsetzung und Skalierung findet jedoch meist in westdeutschen Unternehmen statt: Ostdeutschland bleibt die verlängerte Werkbank.

Chancen für die ostdeutsche Automobilindustrie

Die Autoindustrie in Ostdeutschland hat das Potenzial, die Transformation aktiv mitzugestalten. Zentrale Ansätze hierfür sind:

  • Fokus auf neue Technologien: Eine konsequente Weiterentwicklung der Produktionsstrukturen hin zu neuen Mobilitätslösungen ist essenziell.
  • Stärkung der Innovationskompetenz der Zulieferbetriebe: Besonders in Bereichen wie Materialtechnologien, Recycling und Wiederverwertung herrscht Potenzial.
  • Intensivere Vernetzung von Industrie und Forschung: Eine engere Zusammenarbeit zwischen ostdeutschen Unternehmen und Forschungsinstituten kann die Region als Entwicklungsstandort stärken.
  • Einsatz moderner Werkstoffe und Fertigungsmethoden: Aluminium statt Stahl, Kunststoffe und Verbundwerkstoffe statt Metall – in Kombination mit neuen Umform- und Fügetechniken lassen sich Effizienz, Leichtbau und Nachhaltigkeit verbessern.

Auch branchenübergreifende Synergien spielen eine wichtige Rolle. Ostdeutschland verfügt über starke Kompetenzen in verwandten Industrien wie der Werkstoffverarbeitung, dem Maschinen- und Werkzeugbau, der Mikroelektronik sowie in der IT- und Softwarebranche. Diese Stärken gezielt für die Transformation der Automobilindustrie zu nutzen, könnte der Region einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Erfolgsfaktor Mensch: Qualifizierung als Schlüssel zur Transformation

Neben technologischen Maßnahmen ist die Qualifizierung der Beschäftigten ein zentraler Baustein für eine erfolgreiche Transformation der ostdeutschen Automobilindustrie. Viele Unternehmen kämpfen damit, das nötige Tempo der Veränderungen aufzunehmen. Häufig fehlen klare betriebliche Strategien und Mitarbeiter werden nicht ausreichend in den Veränderungsprozess eingebunden. Um den Wandel aktiv zu gestalten, braucht es gezielte Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote für Mitarbeiter und Entscheidungsträger.

„Genau hier setzen wir als IG Metall an. Wir sind der Initiative ITAS beigetreten, um Arbeitnehmer in der Automobilindustrie zu unterstützen. Denn: Transformation ist nur erfolgreich, wenn die Beschäftigten mitgenommen werden, wenn das ganze Unternehmen an einem Strang zieht. Jeder im Betrieb muss wissen, was Sache ist und warum welche Veränderungen nötig sind“, sagt Marcus Galle von der IG Metall, einem der fünf Konsortialpartner von ITAS.

 

Mehr zur Studie: https://www.igmetall-leipzig.de/aktuelles/meldung/der-osten-braucht-die-automobilwirtschaft-studie-unterstreicht-hohe-bedeutung-der-fahrzeugindustrie

Studie Automobilwirtschaft Ostdeutschland

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